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Personen > Sigismund v. Treskow
(1864-1945), Politiker
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1. 10. 1864 Friedrichsfelde bei Berlin, + 23. 5. 1945 Dahlwitz; Landrat
a.D.; Politiker; Landrat des Kreises Niederbarnim a.D.; Gutsherr
auf Friedrichsfelde; Mitherr auf Grocholin und Strzelce; Rittmeister
a.D.; Mitglied des Preussischen Abgeordnetenhauses 1907-1913; RR
d. JohO; V Karl v. Treskow !819-1882), Gutsherr auf Friedrichsfelde;
Politiker; M Adelheid, geb. Gräfin v. Haeseler (1833-1908);
G Elisabeth v. Kotze (1860-1922); T (Adoption 1925) Ursula v. Sydow,
geb. v. Criegern (1910-2000, Enkelin der Schwester Elisabeth v.
Treskow); S (Adoption 1930) Hans Freiherr v. Rosen (1900-1999, ältester
Urenkel von Julius v. Treskow-Grocholin).
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Als Sigismund
v. Treskow 1880 Friedrichsfelde übernahm, hatte eine in jeder
Hinsicht konventionelle Karriere hinter sich - ein Jura-Studium in
Berlin und Bonn, eine Mitgliedschaft im studentischen Corps der Bonner
Preußen und eine militärische Verwendung, in der er es zum
Rittmeister brachte. Aus dem Erbe des Vaters hatte er einen Anteil
von Strzelce erhalten, 1894 übernimmt er zusätzlich zwei
Drittel des Familienguts Grocholin. Grundlage seines großen Vermögens
blieb die planvolle Parzellierung des Bodens in Friedrichsfelde und
Karlshorst. Bereits 1881 hatte die Familie 300 Morgen des Vorwerks
Karlshorst an den Verein für Hindernisrennen verkauft, der hier
eine elegante Rennbahn errichtete. Das erste Rennen fand am 9. Mai
1884 statt. Es folgte der Bahnanschluß nach Berlin und die Ansiedlung
wohlhabender Bürger in der neuen Villenkolonie, die am 25. Mai
1895 den kaiserlichen Kolonie-Konsens erhalten hatte. Ein Großteil
des Terrains für die Siedlung stammte aus dem Friedrichsfelder
Gutsareal. Der Erfolg des neuen Viertels als „Dahlem des Ostens“ war
nach einigen Anlaufschwierigkeiten enorm: spätestens seit dem
Besuch der Kaiserin zum Hindernisrennen 1897 war Karlshorst ein Inbegriff
der mondänen, eleganten Welt. Als Mitglied des Union-Clubs lud
Sigismund v. Treskow auch zu eigenen Reitjagden nach Grocholin ein.
Zeitlebens hatte er eine eigene Loge in Karlshorst.
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Bereits im Folgejahr
1898 wurde Sigismund v. Treskow Landrat des Kreises Niederbarnim -
ein damals riesiger Kreis, der den ganzen Norden und Osten Berlin umfaßte,
dabei auch die neuen Industriesstandorte von Borsig in Tegel und Siemens
in Pankow. Seine unbestrittenen Verdienste als Landrat sind somit auch
Verdienste um die Industrie und die Erschließung der Vororte
mit Straßenbahn und Eisenbahn: Die Verkehrsanbindung des Nordens
und Ostens an die Hauptstadt in den Jahren um 1900 war sein besonderes
Anliegen, und es wurde ihm vielfach gedankt: die betroffenen Gemeinen
revanchierten sich mit insgesamt neun Straßen-Namensgebungen:
der Treskowstraße in Buch folgten 1902 die drei Treskowstraßen
in Heinersdorf, Niederschönhausen und Mahlsdorf, 1903 die Treskowstraße
in Hohenschönhausen, 1904 die Treskowbrücke über die
Spree an den Rathenau-Hallen (Bild), 1903 eine Treskowstraße
in Alt-Tegel (die einzige in West-Berlin), 1906 eine Treskowstraße
in Oberschöneweide, und 1908 eine letzte Treskowstraße in
Hermsdorf. Dem erfolgreichen kommunalpolitischen Vorspiel folgte die
Mitgliedschaft als Abgeordneter der Konservativen Partei im Preußischen
Abgeordnetenhaus in den Jahren 1907-1913. Insgesamt zwanzig Jahre war
Sigismund v. Treskow Mitglied im Brandenburgischen Provinziallandtag.
Sein Hauptinteresse galt dennoch der Entwicklung von Friedrichsfelde
und den damit verbundenen landwirtschaftlichen Fragen, wobei der industrielle
Fortschritt stets wachsam beobachtet wurde. Von 1916 bis 1940 war Sigismund
v. Treskow Gründungs- und Fördermitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
in Dahlem, der heutigen Max-Planck-Gesellschaft. Insgesamt 100.000
Reichsmark an Spendengeldern flossen aus Friedrichsfelde nach Dahlem.
In enger Absprache mit seinem bei Krupp tätigen Studienfreund Eberhard Frhr. v. Bodenhausen (1868-1918) verfolgte er die Frage, ob
Großagrarier und chemische Industrie gemeinsam eine Weg zur Entwicklung
von neuen Kunstdüngern finden könnten. Auch die neue elektrische
Industrie versprach Gewinne: Seit 1913 war Sigismund v. Treskow Teilhaber
der Elektro-Osmose-AG in Frankfurt am Main. So konservativ seine Lebensweise
und seine politischen Ansichten waren, so aufgeschlossen war er gegenüber
den neuen Erfindungen des industriellen Zeitalters. Zur Förderung
des wissenschaftlichen Nachwuches richtete er die „Carl Sigismund
v. Treskow-Friedrichsfelde-Stiftung“ ein. Das Kaiser-Wilhelm-Institut
für landwirtschaftliche Züchtungsforschung in Müncheberg
verlieh ab 1941 jährlich einen Preis in seinem Namen. Sein Briefwechsel
mit Eberhard v. Bodenhagen, einem engen Freund Harry Graf Kesslers
und Hugo v. Hofmannsthals, wird heute im Deutschen Literaturarchiv
Marbach verwahrt.
Die Deutsche Gesellschaft 1914 wählte ihn neben u.a. Eugen Diederichs, Matthias Erzberger, Samuel Fischer, Hugo von Hofmannsthal, Harry Graf Kessler, Louis-Ferdinand Ullstein und Max Warburg in ihren Gesellschaftsrat. |
Obwohl Treskow
stets Mitglied er Konservativen Partei blieb und niemals der NSdAP
nahestand, konnte er sich den Entwicklungen nicht entziehen: Hinter
der Friedrichsfelder Parkmauer entstand auf einem 15.000 qm großen
Gelände, das seit 1938 an die Reichsbahn verpachtet war, ab 1940
das Arbeitserziehungslager Wuhlheide. Insgesamt 25.000 Häftlinge
wurden hier als Zwangsarbeiter für die Reichsbahn interniert.
Vermutlich 3.000 Häftlinge fanden hier bis 1945 den Tod. Auf einem
Grundstück der Terraingesellschaft Karlshorst an der Treskowallee/
Hegemeisterweg entstand 1942 ein weiteres Barackenlager, in dem 1500
französische Kriegsgefangene interniert waren. 1940 kaufte der
76-jährige Sigismund v. Treskow völlig überraschend
vom Fürsten Schaumburg-Lippe das barocke Schloß Klaus im
Salzkammergut, eine Fluchtburg im Westen. Er nutzte sie nicht. Kein
Bild, kein Wertgegenstand wurde in den Westen oder nach Österreich
geschickt. Stattdessen empfing er die Rote Armee in Friedrichsfelde
mit einem komplett eingerichteten Haushalt. Das Schloß wurde
beschlagnahmt, der Schlossherr wurde mit einem Koffer auf die Straße
gesetzt. Er war zeitlebens Diabetiker, aber Insulin gibt es nicht mehr
in Berlin. Seine Beschließerin Fräulein Schneider und sein
Diener Kurt setzten ihn in einen Leiterwagen und ziehen ihn über
die Landstraße zu seinen Verwandten nach Dahlwitz. Auch hier
ist das Schloß beschlagnahmt. Er kommt in einer Gartenwohnung
unter, die nicht geheizt werden kann. Hier stirbt Sigismund v. Treskow
am 23. Mai 1945. Tage später wird er im Park von Friedrichsfelde
beigesetzt. Bild: Sigismund v. Treskow mit Hans v. Rosen
1933 in Grocholin
Literatur:
Hans Hoppe: Zur Erinnerung an Sigismund von Treskow. In: Familienkundliche
Beiträge des Kreises Altburgund e.V. (Hrsg.): Altenburgunder Familienarchiv.
Quellen und Darstellungen zur Altenburgunder Familiengeschichte. F.3,
1964.
Claudia Wilke: Die Landräte der Kreise Teltow und Niederbarnim im
Kaiserreich. Potsdam 1998.
Deutsches Literaturarchiv Marbach. Briefwechsel Eberhard Freiherr v.
Bodenhagen mit Sigismund v. Treskow aus den Jahren 1896-1916 |
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