Elisabeth v.
Treskow spielte 1894 eine zentrale Rolle in der sogenannten „Kotze-Affäre“,
die späteren Generationen als Fanal des maroden Kaiserreichs und
des persönlich Regiments Wilhelms II. galt. Elisabeth hatte 1879
als 19-jähriges Mädchen in Friedrichsfelde den späteren
Kammerherrn Leberecht v. Kotze geheiratet, einen modischen Geck und
karrierrebewußten Höfling. Kotze galt 1894 als Verfasser
einer Vielzahl obszöner Briefe, die seit 1891 an Mitglieder der
Hofgesellschaft verschickt worden waren, und wurde am 16. Juni 1894
auf Befehl des Kaiser verhaftet. Die Verhaftung erwies sich schon bald
als schwerwiegender Fehler des Kaisers mit unvorhergesehenen politischen
Konsequenzen: Der Berliner Gouverneur v. Pape und der Oberstkämmerer
Fürst zu Stolberg-Wernigerode mussten ihren Abschied einreichen,
nachdem sich die Haltlosigkeit der Vorwürfe erwiesen hatte, Kotze
wurde bereits am 5. Juli 1894 aus der Haft entlassen. Ein auf Anweisung
des Kaisers zusammengestelltes Kriegsgericht sprach Kotze im März
1895 aus Mangel an Beweisen frei. Der Kaiser hatte sich hinreichend
blamiert und schickte Kotze als Zeichen der Rehabilitierung Blumen
und ein Osterei, der gedemütigte Zeremonienmeister duellierte
sich jedoch mit zweien seiner angeblichen Verleumder und tötete
seinen langjährigen Kollegen, den kaiserlichen Zeremonienmeister
Karl Freiherr v. Schrader. Die liberale Presse machte Wilhelm II. für
diese Duelle persönlich verantwortlich. Der konservative „Reichsbote“ notierte,
dass der Fall Kotze „an Royalismus im Lande
mehr zertrümmert“ habe „als
jahrelange Ideenarbeit treuer Monarchieanhänger wieder aufbauen
könnten“, andere sahen in dem Hofskandal eine Bankrotterklärung
des monarchischen Systems und einen „Stempel
der Fäulnis“ auf
der Hofgesellschaft. Erst viele Jahrzehnte später kam an den Tag,
dass der Urheber der obszönen Briefe nicht Leberecht v. Kotze,
sondern der Bruder der Kaiserin gewesen ist, Herzog Günther von
Schleswig-Holstein.
Elisabeth v. Kotze ergriff 1894 die Partei ihres verhafteten Mannes und
bestürmte die älteste Schwester des Kaisers, die Erbprinzessin
Charlotte von Sachsen Meiningen, sich für den Häftling einzusetzen.
Charlotte bezeichnete Elisabeth in privaten Briefen als „meine älteste
und beste Freundin“, und nach Kotzes Freilassung 1895 schrieb sie: „Kotze
endlich freigesprochen, aber seit gestern schlimm verletzt, Folgen des
ersten Duells: Ich schaudere, wenn ich an die anderen denke, die noch
kommen werden: seine Frau ist so mutig & benimmt sich vorbildlich,
ihre Briefe an mich in diesen Tagen sind, wegen Ihrer Geisteskraft & Wille,
bewunderungswürdig: aber die lange, 10 monatige Belastung muß sich
bald auf ihren Nerven abzeichnen: das liebe Ding, wie sehne ich mich
danach, ihr jetzt helfen zu können und sie zu trösten!!“ Tatsächlich
bedeutete die Affäre und der Mord ihres Mannes an Karl v. Schrader
das Ende ihrer Ehe und ihrer gesellschaftlichen Existenz. Das Paar ließ sich
zwar nicht scheiden, zog sich aber nach Oberschreiberhau im Riesengebirge
zurück und lebte auf Abstand miteinander. So schilderte es zumindest
ihr Neffe Eckard v. Naso, damals junger Dramaturg am königlichen
Schauspielhaus:
„
Sie war eine erstaunliche Frau. Seit 1900 etwa gelähmt, lebte sie
in ihrem fahrbaren Rollstuhl mit einer Grandezza, als wären ihre
unteren Gliedmaßen nicht schrecklich tote, völlig unbewegliche
Dinger. Über der Gürtellinie war sie beweglich und von großartiger
Vitalität: eine der Renaissance-Naturen, denen nichts geschehen
kann ... ihre Willenskraft und die Souveränität ihrer Persönlichkeit
waren unwiderstehlich. Dabei hatte diese Frau ein – für die
damalige Zeit – schweres Schicksal hinter sich. Sie fiel, oder
ihr Mann Leberecht v. Kotze fiel, von einem Tag zum anderen aus der kaiserlichen
Gnadensonne in ein Nichts ... Kotze war ein wohlhabender Mann und lebte
nunmehr – ein charmanter Müßiggänger – neben
seiner gelähmten Frau, die ihn lächelnd übersah.“
Elisabeth überlebte ihren Mann und kehrte in ihr Elternhaus Schloss
Friedrichfelde zurück, wo sie 1922 auf dem Familienfriedhof beigesetzt
wurde.
Literatur:
John Röhl: Wilhelm II. Der Aufbau der Persönlichen Monarchie
1888-1900, München 2001, S. 741- 755.
Eckart von Naso, Ich liebe das Leben, Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten,
Hamburg 1953, S. 387-388.
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